Statement der öge FrauenAG
zur katastrophalen Situation in den griechischen und bosnischen Flüchtlingslagern

Die Frauenarbeitsgemeinschaft der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung beschäftigt sich sowohl wissenschaftlich als auch in persönlichen Kontakten mit Menschen, die in der Zeit des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus verfolgt und vertrieben wurden. Die Traumata, die Diktaturen und Krieg bei exilierten Menschen hinterlassen haben, rufen uns ins Bewusstsein, welch einschneidende Folgen damit verbunden waren. Dies gilt gleichermaßen für Geflüchtete heute.

Die historische Erfahrung und Erkenntnis sollte gerade in einem Land wie Österreich, das in der Vergangenheit zu Verfolgung und Vertreibung beigetragen hat, verstärkt ins politische Bewusstsein der Entscheidungsträger dringen.

Österreich hat die Verpflichtung, die Genfer Flüchtlingskonvention und die UN-Menschenrechtskonvention zu respektieren und umzusetzen. Der Zugang zum Menschenrecht auf Asyl, wie er in der Europäischen Charta der Grundrechte garantiert ist, soll unverzüglich hergestellt werden. Dies beinhaltet die Durchführung von fairen Asylverfahren. Nicht zuletzt ergibt sich daraus auch die uneingeschränkte Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, der derzeit durch illegale Push-Backs umgangen wird.

Menschenrechtliche Verpflichtungen und der Gedanke einer europäischen Solidarität gebieten es, nicht nur vor Ort zu helfen, sondern zumindest Familien und vor allem Frauen und Kinder aus dieser katastrophalen Lage zu befreien. In den überfüllten Flüchtlingslagern sind alleinstehende Frauen und Kinder tagtäglich Gefahren und Gewalt ausgesetzt. Es gibt bereits zu viele Berichte von Überfällen und sexuellen Übergriffen, erinnert sei nur an die Vergewaltigung eines dreijährigen Mädchens in Kara Tepe – und dies ist keineswegs ein Einzelfall.

Es gilt daher, geflüchtete Menschen umgehend aus den Lagern zu evakuieren, in denen sie unter menschenunwürdigen Bedingungen um ihr Überleben kämpfen müssen.

Viele Österreicher*innen haben sich bereit erklärt, Flüchtlingsfamilien in ihren Kommunen aufzunehmen und diese auch zu betreuen. Wir fordern daher die österreichische Bundesregierung dringendst auf, die vielen Stimmen und Initiativen der Bevölkerung nicht weiter zu ignorieren und, auch im Sinne einer historischen Verantwortung, den Wunsch nach menschlich-solidarischem Verhalten unmittelbar umzusetzen!

Humanitäre Verantwortung muss mehr zählen als Populismus!

Wien, im Februar 2021